Anna Seghers
Als Netty Reiling am 19. November 1900 in Mainz geboren, wuchs sie in einem bürgerlichen Elternhaus auf. Der Vater Isidor Reiling betrieb ein Antiquitätengeschäft am Flachsmarkt. Ab 1910 besuchte sie die Höhere Mädchenschule, die heute den Namen Anne Franks trägt. Nach dem 1917 absolvierten Abitur, studierte sie u.a. Geschichte und Kunstgeschichte in Heidelberg und Köln, promovierte 1924 über „Jude und Judentum im Werk Rembrandts“ und heiratete 1925 den ungarischen Emigranten Laszlo Radvanyi. Sie lebte in Berlin. Seit 1924 erschienen erste Erzählungen und Romane, 1928 erhielt sie den Kleistpreis und war Mitbegründerin des „Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller“, Mitglied der KPD und nannte sich seither Anna Seghers. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war sie zur Flucht gezwungen und gelangte mit ihren beiden Kindern nach Paris. 1935 initiierte sie mit anderen Kollegen den „Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur“, der in Paris stattfand. Sie entwickelte vielfältige Kontakte zu Emigranten und Flüchtlingen und befreundete sich mit Lore Wolf. Beide begegneten sich im „Schutzverband deutscher Schriftsteller“ (SDS), zu dem neben vielen anderen auch Klaus und Heinrich Mann, Egon Erwin Kisch und Ernst Bloch gehörten. Anna Seghers „hat in Wort und Schrift Stellung gegen den Faschismus genommen, ihre Anklagen und die ihrer Schriftstellerkollegen über die Greueltaten der Franco- und Hitlerregime, ihre Aufklärungsschriften und Aufrufe zum Widerstand gingen hinaus in alle Welt und haben die Menschen aufgerüttelt und kampfbereit gemacht“ notierte Lore Wolf viele Jahre später über ihre Freundin. In der Zeit der Arbeit an dem Roman „Das siebte Kreuz“ wusste Anna Seghers von zwei gelungen Fluchten aus deutschen Konzentrationslagern. Der bekannte Kommunist Hans Beimler war aus Dachau geflohen und der Mainzer Rechtsanwalt Tschorniki aus dem KZ Osthofen. Anna Seghers hatte wohl mit beiden Kontakt, wie Lore Wolf berichtete. In ihrem- kurz nach dem Erscheinen in vielen Ländern gelesenen - Buch, fliehen sieben Häftlinge aus dem KZ, das Anna Seghers literarisch verfremdet Westhofen nannte. Sechs von ihnen werden gefasst und auf dem „Tanzplatz“ des KZ an die sieben dort aufgestellten Kreuze geschlagen. Georg Heisler gelingt die Flucht durch Rheinhessen und bis nach Frankfurt. Das Buch wurde zum Symbol dafür, dass die Verfolgungsmaschinerie der Nazis zwar nahezu perfekt funktionierte, aber Flucht und Widerstand möglich waren. Die in aller Widersprüchlichkeit geschilderten Verhältnisse der Menschen im faschistischen Deutschland gelten als hervorragende literarische und politische Arbeit.
Nach der Besetzung von Paris musste Anna Seghers mit ihren Kindern auf abenteuerliche und risikovolle Weise wieder fliehen. Es gelang ihr, mit ihrem Mann Marseille zu erreichen und von dort im März 1941 nach Mexiko zu gelangen. Hier lebte sie bis 1947 und kehrte dann nach Berlin zurück. Von 1952 bis 1978 war sie Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. Die Stadt Mainz hatte Mühen im Umgang mit Anna Seghers, jahrelange Auseinandersetzungen um eine Ehrenbürgerschaft führten dazu, dass sie zunächst 1977 die Ehrenbürgerwürde der Johannes Gutenberg Universität erhielt und erst 1981 Ehrenbürgerin ihrer Geburtsstadt wurde. Anna Seghers starb am 1. Juni 1983 in Berlin.